Kinderarzt Gorris bei der Arbeit

Endlich war es wieder soweit: nach dem Bestehen meiner Facharztausbildung sollte es wieder nach Fogo gehen. Mein letzter Einsatz für das Projekt „Gesundheitsberatung für Familien mit Kindern“ war im März 2013 gewesen. Damals war ich zum ersten Mal auch im ländlichen Bereich des Kreises Sao Filipe tätig geworden und hatte festgestellt, dass der Bedarf an Gesundheitsberatung umso größer war, je weiter der Ort von der Stadt Sao Filipe entfernt liegt.

Am 19. April 2015 traf ich also auf Fogo ein. Der Einsatz sollte am 22. April anfangen und mit dem Kindergarten in Achada Mentirosa beginnen. Die Organisatoren Mike Goike und Samira Alves vor Ort hatten gute Vorarbeit geleistet. Denn wie immer, auf den Kapverden läuft nichts wie geplant. Kurzfristig war die Zahl der beweglichen Ferientage vor dem Fest zum 1. Mai erhöht worden. In den Ferien sind alle Kindergärten geschlossen und die Mitarbeiter haben frei, aber gerade dann sollten die Untersuchungen stattfinden. Anerkennenswert ist es, dass in den meisten Kindergärten Frauen bereit waren für einen Tag trotzdem zukommen und bei der Durchführung zu helfen.

Die Einladungen waren von  Samira schon vorher an die bedürftigen Familien überbracht worden. Ohne den Einsatz der Kindergärtnerinnen, die alle und jeden im Dorf kennen, läuft nichts. Mein Einsatz war beim Gesundheitsamt und dem Leiter des Krankenhauses in Sao Filipe angekündigt und ausdrücklich als erwünscht begrüßt worden. So stand meiner Tätigkeit nichts mehr im Wege. Insgesamt war ich an 9 Orten im Einsatz und habe mehr als 120 Kinder untersucht, ausgerüstet mit Stethoskop, Otoskop, meinen Sinnen und Fähigkeiten.

Die Kinder wurden meist von der Mutter oder sonstigen Anverwandten wie Tante, Schwester, Cousine oder Oma aber auch der Nachbarin begleitet.  In einem Kindergarten hatte eine übermotivierte Kindergärtnerin nur gesunde Kinder eingeladen, um einen guten Eindruck zu machen. Sowohl Kinder als auch Begleitpersonen waren sehr gut angezogen und herausgeputzt. Ich frug mich, was ich da eigentlich soll….. Es gab kaum Behandlungsbedarf, bis auf den einen oder anderen Hautpilz.

Ansonsten sah ich viele Fälle von psychomotorisch auffälligen Kindern verschiedenster Ausprägung und Ursache. Angaben zu Schwangerschafts- und Geburtsverlauf und über die weitere motorische Entwicklung nach der Geburt sind grösstenteils sehr schwierig zu eruieren, da bei meiner Sprechstunde die Mutter oft nicht zugegen war und die Begleitperson dazu keine Angaben machen konnte. Andere Kinder wiederum zeigten das Bild einer Gedeihstörung, auffällig dadurch, dass die Parameter Gewicht und Größe nicht zum Alter passten. Manchen Fall habe ich ins Krankenhaus zur weiteren Behandlung und Diagnostik überwiesen, wobei die Möglichkeiten dort auch eingeschränkt sind.

Die häufigsten Krankheitsbilder waren folgende:

Hautpilz

ich habe die Begleitpersonen aufgeklärt über den Infektionsweg, allgemeine Hygiene und Vorbeugung. Behandlung ist kaum möglich, da sich die Kinder immer wieder gegenseitig anstecken.

Bauchschmerzen 

bei allen Kindern fandt sich ein ausgeprägter vorgewölbter Blähbauch. Zurückzuführen ist das auf die einseitige Ernährung mit Reis und Bohnen. Da kommen dann Hausmittel zur Anwendung, die mein medizinisches Weltbild ins Wanken brachten. Z.B. wird gelöste Vulkanasche und Knoblauchwasser verabreicht.

Kopfschmerzen

vermutlich wird zu wenig Wasser getrunken. Auf Fogo trinken auch die Kinder schon Kaffee. 2 Fälle waren auf Grund der Krankengeschichte typisch für eine Migräne.

Asthma

Am 3. Tag meiner Arbeit wurde ein Junge mit einem lebensbedrohlichen Asthmaanfall zu mir gebracht. Da ich kein zugelassener Arzt auf Fogo bin darf ich keine Medikamente verabreichen und hatte auch keine dabei. Das Kind wurde von mir mit dem Taxi ins Krankenhaus gebracht und eine sofortige Behandlung wurde eingeleitet. Dieses Erlebnis veranlasste mich, sofort einige Medikamente zu kaufen, um eine Notfallbehandlung durchführen zu können. Auch das Gesundheitsamt sah diese Notwendigkeit sofort ein.

Jetzt zum Abschluss des Einsatzes schaue ich mit Zufriedenheit zurück auf meine Arbeit. Natürlich stelle ich Vergleiche zu Deutschland an. Wie viel mehr Möglichkeiten gibt es für die Gesundheit der Kinder bei uns. Es ist so traurig zu sehen, welche körperlichen Schäden entstehen, nur weil keine regelmäßigen Früherkennungsuntersuchungen durchgeführt werden. So manches Kind hätte sich besser entwickeln können. Hier ist vieles anders. Manche Fälle sind für die Ärzte hier normal, die ich in meiner bisherigen Laufbahn in Deutschland selten oder nie gesehen habe.

Die Arbeit hat mir sehr viel Spass gemacht. Samira hat mir sehr gut geholfen und hat alles prima organisiert!  Aber nicht nur das Fachliche hat mir Spaß gemacht, sondern auch portugiesisch zu sprechen. Das ist mittlerweile zu meiner großen Leidenschaft geworden.

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