Einzelfallhilfen

StrassenkinderDiese Form der Unterstützung ist die schwierigste von allen. Es geht um die Frage „Was genau nützt diesem Kind oder dieser Familie in der aktuellen Situation?“

Ein typisches Beispiel: Im Rahmen unseres Projektes „Gesundheitsberatung“ untersuchte Dr. Neureither einen 8-jährigen Jungen, der von seiner Großmutter vorgestellt wurde und über Bauchschmerzen und Hautprobleme besonders auf dem Kopf klagte.

Bei den Hautproblemen handelte es sich um eine Pilzerkrankung, die kaum nachhaltig zu behandeln ist, weil sich die Kinder in der Schule oder beim Spielen immer wieder gegenseitig anstecken. Die Bauchschmerzen waren unspezifisch, hingen vermutlich mit einseitiger Ernährung (Reis und Bohnen) zusammen und hatten evtl. auch einen psychosomatischen Hintergrund. Insgesamt wirkte der Junge ziemlich vernachlässigt und nervös und konnte sich kaum auf die Fragen des Arztes konzentrieren.

Der Junge ist das zweitjüngste von 5 Geschwistern. Zur Familie gehören außerdem die Eltern und die Großmutter. Sie leben in einer 2-Zimmer-Baracke am Stadtrand. Der Vater ist ständig auf der Suche nach Gelegenheitsjobs, meistens aber arbeitslos. Er trinkt ziemlich viel und wird in betrunkenem Zustand auch aggressiv gegen Frau und Kinder. Der älteste Bruder ist 17, hat die Schule nach der sechsten Klasse beendet, arbeitet gelegentlich auf dem Bau und hängt mit seinen Kumpels ab.  Auch er trinkt ziemlich viel Alkohol und nimmt Drogen, wenn sie erreichbar sind. Bei der Polizei ist er wegen kleinerer Diebstähle bekannt.

Die Familie lebt ständig am Rande des Existenzminimums, Rücklagen für Notfälle gibt es nicht. Einmal im Jahr kommt ein Fass mit gebrauchter Bekleidung und vielen Süßigkeiten von Verwandten aus Brockton/USA. Der größte Teil der Bekleidung wird billig verkauft und bringt so etwas Geld in die Kasse. Daran entzündet sich dann regelmäßig der Streit, wie viel von dem Geld für Schnaps ausgegeben werden darf.

Eine traurige Situation, aber was kann man tun? Eine Geldspende nützt gar nichts und gelangt mit großer Sicherheit in die falschen Hände. Ähnlich ist es mit Sachspenden, auch die kann man wieder zu Geld machen und zweckentfremden.

Natürlich gibt es nützliche Hilfen, aber die erfordern einen persönlichen und oft auch professionellen Einsatz, der ziemlich anstrengend werden kann: zunächst einmal mit der Familie reden und sie dabei unterstützen, ihren eigenen Weg aus dem Schlamassel zu finden. Vermittelt werden muss die Überzeugung, dass man seinem Schicksal nicht hilflos ausgeliefert ist, sondern es auch aktiv gestalten kann. Oft fehlen Informationen über bereits bestehende Hilfsangebote. Vielleicht tun sich Perspektiven auf: ein Praktikum oder eine Aus- oder Fortbildung, um die Chancen auf Arbeit zu erhöhen, Teilnahme an Aktivitäten von Vereinen oder der Kirche, eine selbständige Erwerbstätigkeit etc.

Auf diesem ungewohnten Weg braucht die Familie zumindest am Anfang Begleitung und Beratung. Möglicherweise entsteht hier auch eine Situation, in der finanzielle oder materielle Hilfe wirklich nützlich ist. Diese sollte dann an klare Bedingungen geknüpft sein, deren Einhaltung regelmäßig überprüft werden muss.

Da dieses konkrete und regelmäßige Engagement vor Ort die Möglichkeiten unseres Vereins übersteigt, unterstützen wir lokale Hilfsorganisationen finanziell. Diese sind dadurch in der Lage, gezielte Hilfe zu leisten und deren Wirksamkeit zu kontrollieren. Auf der Insel São Vicente sind dies die ADEF, Unterstützung von Familien mit behinderten Angehörigen, und Dorcas, die Einzelfallhilfe der Adventistengemeinde. Auf der Insel Fogo arbeiten wir eng mit der Frauenhilfsorganisation OMCV zusammen, die auch in diesem Bereich tätig ist.